Die Entwicklung des Billard

Da die meisten Leute mit dem Begriff "Billard" relativ wenig anzufangen wissen, soll zunächst ein wenig über die Entstehung dieser Sportart erzählt werden. Ein Amerikaner namens William Hendricks hat in seinem Buch "A Complete History of Billiards Evolution" mit Hilfe von unbestreitbaren Fakten, aber auch mit eini­gen unbelegten Vermutungen als Erster etwas vorgelegt, das der Wahrheit über die Geschichte des Billards zumindest sehr nahe kommt.

Hendricks zufolge gab es in der Anti­ke viele verschiedene Ballspiele, bei denen Stöcke benutzt wurden. Erst Ende des 13. Jahr­hunderts kam jedoch ein Spiel auf, das mit dem verglichen werden kann, was wir heute Bil­lard nennen. Es war eine dem Crocket ähnliche Wettkampf-Betätigung und wurde auf offe­nem Felde gespielt. Das Spielfeld war mit einem Portal und einem Kegel versehen. Da sich dieses Spiel einer großen Beliebtheit erfreute, wurde es von den offenen Feldern in den Hof und bei schlechtem Wetter in die Innenhöfe verschoben. Von da an war es nur ein kleiner Schritt, das "offene" Spiel in die Säle, auf große Tische, zu übersiedeln.


Der Name "Billard" stammt ursprünglich vom Begriff "ballon", also Kugel oder Ball ab. Ein kleinerer Ball heißt "boule", was sich zum "Beule-Spiel" entwickelte, und ein ganz winziger Ball (oder Kugel) nennt sich "bille". Billard ist also das Spiel mit den kleinsten Bällen. Den ersten bekannten Billardtisch kaufte der französische König Louis XI. im Jahr 1470, und obwohl sich die Frei­luftvariante des Billards bis ins 16. Jahrhundert hinein hielt, setzte sich von diesem Zeit­punkt an der Billardtisch an den französischen und englischen Höfen immer mehr durch. Die ersten Billardtische waren ganz aus Holz gefertigt, und das Spielfeld war schon von Anfang an mit jenem grünen Tuch bespannt, das noch heute so eng mit dem Billardspiel verknüpft ist. Auch die Bälle waren meistens aus Holz gefertigt, aber es kam auch vor, daß begüterte Anhänger dieses Spieles sich den Luxus leisteten, Bälle aus Elfenbein anfertigen zu lassen. Mit der Zeit wurde das Elfenbein allgemein akzeptiert, und erst als dieses Mate­rial immer rarer und teurer wurde, stellte man die ersten Bälle aus synthetischem Kunstharz her.


Das von den Billardspielern heute verwendete Queue hat eine ebenso lange Geschich­te hinter sich. Anfangs wurde Billard mit einer Art Schläger gespielt, und statt der Stöße in der heutigen Bedeutung des Wortes mußten die Bälle um den Tisch herumgeschlagen wer­den. Die Banden, welche verhindern, daß die Bälle einfach vom Tisch herunterfallen, gaben Anlaß, einen Stock (Queue) an Stelle eines Schlägers zu verwenden. Blieb nämlich ein Ball an der Bande liegen, war es sehr schwierig, ihn mit dem dickeren Unterteil des damals noch üblichen Schlägers anzuspielen. Daher drehte man ihn häufig um und benutzte den Schaft. Die Erlaubnis, in solchen Situationen den Schaft zu benutzen, wurde zum ersten Mal im Buch "The Complete Gamester" von Charles Cotton, das 1674 in England erschien, festge­halten. Es dauerte allerdings noch einige Zeit, bevor dieses Verfahren allgemein akzeptiert wurde, denn man fürchtete, daß das Tuch des Spieltisches durch diese Technik beschädigt werden würde.


Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam ein französischer Infanteriehauptmann namens Mingaud auf die Idee, die Spitze des Queues mit einem Stück Leder zu versehen. Bis dahin war man gezwungen gewesen, die Mitte der Bälle so genau wie möglich zu tref­fen, und selbst wenn der Gebrauch von Kreide bereits üblich war, rutschte man bei einem Stoß vom Ball ab. Mit der Erfindung des Queueleders öffneten sich dem Billardspiel ganz neue Dimensionen. Es war nun möglich, Schraubstöße, Effets (wie z. B. Rückzieher und Effets links oder rechts) zustande zu bringen. Auch die Entwicklung des Billardtisches kam nun in Bewegung, und selbst dessen Fabrikation, die anfänglich Sache der Möbelherstel­ler war, wurde eine eigene Industrie. 1814 spezialisierte sich der Engländer John Thurston als erster auf die Herstellung von Billardtischen und Zubehör, und er war auch weitgehend für die Entwicklung der Tische in Richtung auf die heute benutzte Form verantwortlich.


Ein anderer Mann, der vor allem bei der Entwicklung des Pool-Tisches eine große Rolle spiel­te, war ein Schweizer namens John Brunswick, der in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte und dort 1845 mit der Herstellung von Billardtischen begann.

John Brunswick

Heute gibt es vier grundsätzlich verschiedene Billard-Spielarten: Pool, Snooker, Carambol und Kegel. Ausrüstung, Spielregeln und Taktik variieren in jeder Disziplin. Soweit es in Büchern beschrieben war, scheinen die ältesten Spielvarianten eine Kombination zwischen Kegel und Pool-Billard gewesen zu sein. Um 1810 herum fingen die Franzosen an, Spieltische ohne Löcher herzustellen, und das Karambol-Spiel setzte sich in Europa durch. Ein Teil die­ser Tische wurde auch in die USA verschifft, wo allerdings die englische Spielart mit 15 Bäl­len, statt der beim Karambol üblichen drei bis vier Bälle, tonangebend wurde. In Amerika breitete sich das Pool-Spiel um 1860 aus, und die erste amerikanische Pool-Meisterschaft wurde 1878 ausgetragen. Snooker wurde von englischen Soldaten im Jahre 1875 erfunden-, die in Indien Dienst taten. Seither sind diese vier Spielarten voneinander getrennt und fin­den auf der Erde unterschiedliche Verbreitungsgebiete. Heute ist Billard ein Sport und ein Hobby zugleich und wird von abermillionen Spielern ausgeübt. Es gibt in allen vier Spiel­arten ein regelrechtes Netz von Turnieren, von lokalen und nationalen Wettbewerben bis zu kontinentalen und weltweiten Anlässen. Es gibt in England, den USA und Australien auch viele professionelle Spieler, die in einzelnen Fällen astronomische Summen verdienen, wel­che sich durchaus mit jenen Gagen vergleichen lassen, die heutzutage im Tennis oder ande­ren Spitzensportarten gezahlt werden.